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Andacht (als Beitrag)

In den dunkler werdenden Tagen des Oktobers und November feiern wir zwei besondere Sonntage: Anfang Oktober das Erntedankfest, Ende November den Ewigkeitssonntag mit dem Gedenken an die Verstorbenen. Erntedank lässt noch einmal die sommerliche Fülle der Gaben Gottes aufleuchten, der Ewigkeitssonntag erfüllt uns mit Trauer.
Freude und Traurigkeit, Glück und Unglück, spiegelt der Monatsspruch aus den Klageliedern wider. Denn beinahe wäre es aus gewesen mit dem Volk Israel.
Die Klagelieder haben folgenden Hintergrund: 587 vor Christus haben die Babylonier endgültig Jerusalem erobert und den Tempel zerstört. Die Eroberung und Zerstörung werden von den Menschen, die Opfer des Krieges wurden, als Strafe Gottes gesehen. Nachdem jedoch die Perser die Babylonier besiegt haben, darf das Volk aus der Gefangenschaft in Babylon wieder zurückkehren und den Tempel wiederaufbauen.
Gott wird gesehen als gerechter Herrscher, der es nicht zulässt, dass der auf Recht und Gesetz gegründete Bund zwischen den Menschen und ihm gebrochen wird. Verstößt der Mensch gegen die Ordnungen und Weisungen des Bundes, muss er mit Strafe rechnen. Haben die Menschen jedoch die Strafe für ihre Schuld abgebüßt, haben sie ihre Schuld eingesehen und sich Gott wieder zugewandt, dann beendet Gott ihr Leiden.
Die Frage nach der Ursache von Leid und die Frage nach der Überwindung von Leid beantwortet uns der Verfasser der Klagelieder so: Ursache des Leides ist die Trennung des Menschen von Gott. Die Überwindung von Leid geschieht durch die Gemeinschaft mit Gott.
Jesus Christus hat alle Schuld der Menschen und die Strafe dafür mit seinem Kreuzestod auf sich genommen. Somit ist die Gemeinschaft von Gott und Mensch hergestellt und Leid kann überwunden werden. Der Verfasser der Klagelieder hat Recht: Gottes Güte ist nicht zu Ende, seine Liebe ist jeden Morgen neu und seine Treue unfassbar groß. Das zeigt sich an Jesus Christus.
Somit gilt: Katastrophen, Krieg und Krankheit sind nicht als Strafen Gottes zu sehen. Aber dennoch müssen wir sie in vielen Fällen – aber nicht in allen – als Folgen unserer Abwendung von Gott sehen. Sie sind Anlass zur Kritik an der Selbstherrlichkeit des Menschen. Naturkatastrophen sind sicher nicht die Schuld eines einzelnen Betroffenen. Aber sie sollten uns doch dazu anregen, darüber nachzudenken, ob der Mensch wirklich alles tun sollte, was er tun kann.
Wo der Mensch der Ansicht ist, selbst Herr über alles zu sein, alles selbst beherrschen zu können, scheitert er. Gott hat dem Menschen die Natur gegeben, um in ihr zu leben, um von ihr zu leben. Wo der Mensch aber meint, er könnte die Natur beherrschen, irrt er. So dürfen wir nicht bei allem Gott die Schuld in die Schuhe schieben, was der Mensch mit seinem freien Willen vermasselt hat.
Es gilt daher die Forderung an die Menschheit, die Grenzen des menschlich Machbaren zu erkennen und zu akzeptieren. Es gilt als Forderung der Stunde an den Menschen, dass er aus Dankbarkeit für die geschenkte Vergebung Gott als Herrn anerkennt und seinem Wort folgt.
Katastrophen, Krieg und Krankheit sind auch immer als Chancen zu sehen, unser Leben zu überdenken und uns dem Guten und der Liebe zuzuwenden. Und vor allem sind sie niemals ein Grund, die Hoffnung aufzugeben. Gottes Güte, sein Erbarmen sind noch nicht zu Ende, seine Liebe ist jeden Morgen neu und seine Treue unfassbar groß.
Und darum gibt es in unserem Leben Chancen zum Neuanfang. Auch wenn dies zum Beispiel heißt, dieses oder jenes das erste Mal ohne einen geliebten Menschen zu tun oder sich in einer neuen Situation zurechtfinden zu müssen. Wer oder Was auch immer uns begegnet, durch Jesus Christus können wir darauf vertrauen: Das Leben siegt!

Eva-Maria Franke, Pfarrerin